Bevor wir uns den quantenphysikalischen Phänomenen und
ihren theologischen Implikationen
zuwenden, gehen wir einen Schritt zurück.
Wer heute die Bibel liest oder eine Predigt hört, kommt
nicht umhin, sich zum Gehörten und/oder Gelesenen zu positionieren. Dies
geschieht zwischen den zwei Extremen „Was in der Bibel steht, ist wahr und
wörtlich zu verstehen“ und „Die Bibel ist ein Märchenbuch mit erfundenen
Geschichten zwecks Machtausübung über die Gläubigen“.
Auf dieser Skala finden sich viele Zwischenstufen,
Einstellungen wie
- die Bibel wurde den Autoren von Gott wörtlich eingegeben, deshalb ist sie irrtumslos
-
die Bibel wurde von Menschen geschrieben (daher
enthält sie auch Fehler), welche ihre Erfahrungen mit Gott beschrieben (daher
enthält sie auch Wahrheit)
-
die Bibel ist ein Gemisch aus Erfahrung und
ihrer religiöse Interpretation, deshalb muss man sie in ihrer Entstehungszeit
verstehen, um sie für heute zu interpretieren
-
die Bibel enthält zeitlose Wahrheiten, die in
Symbolen ausgedrückt werden. Die Symbole wirken in der Tiefe der menschlichen
Seele. Eine wörtliche Interpretation würde dem nicht gerecht.
Den unterschiedlichen Einstellungen zur Bibel entsprechen
verschiedene theologische Lager oder Schulen.
Im FUNDAMENTALISMUS müsste man eigentlich alles wörtlich
nehmen. Die Welt entsteht in 6 Tagen à 24 Std. zum Beispiel. Doch sogar Fundamentalisten können unmöglich
alles wörtlich nehmen.
Die EVANGELIKALE und die konservative Theologie kennt die
Devise: „Gotteswort in Menschenwort“, d.h. sie macht INNERHALB der Bibel bereits
eine Differenz aus zwischen Göttlichem und Menschlichem. Nicht alles ist
wörtlich zu verstehen, und es ist die Aufgabe der Exegeten auszulegen, was
jetzt wie gilt.
Die HISTORISCH-KRITISCHE Auslegungsmethode fragt nach der
Entstehung der Texte. Nach den historischen Umständen, nach
religionsgeschichtlichen Parallelen und kulturellen Bedingungen. Indem wir dies
alles verstehen, verstehen wir besser, was der Text DAMALS sagen wollte. Der
Transfer in die Gegenwart hingegen kann diese Methode nicht an sich leisten.
Das Problem bleibt also bestehen: wie kann ein Text von
DAMALS auch HEUTE noch irgend etwas bedeuten oder bewirken?
Psychologische, existenzielle/existenzialistische Ausleger
würden sagen: die Bilder, die verwendet werden (z.B. die Geschichten vom
verlorenen Sohn, von der auferweckten Tochter etc.), sind so stark, dass sie
auch heutige Menschen ansprechen. Daher
ist es UNERHEBLICH, ob diese Geschichten irgendwelchen Fakten entsprechen oder
„erfunden“ sind. Selbst dann nämlich, wären sie nicht erfunden, sondern
„gefunden“ im reichen Fundus unserer seelischen Kräfte, unseres kollektiven
Unterbewusstseins.
Diese letzte Position (vertreten etwa durch Tillich,
Bultmann, Drewermann) wird natürlich von Fundamentalisten heftig kritisiert.
Aber ebenso können wissenschaftliche Skeptiker damit wohl wenig anfangen. Zumindest
würden sie sagen: schön und gut, dann bestehen die Evangelien halt aus „frommen
Lügen“, die gut gemeint sind. Letztlich aber bleiben sie erfunden Geschichten,
die sich so nie zugetragen haben.
Wie immer wir uns also zur Bibel, zum Glauben etc.
positionieren, es bleibt problematisch. Und das ist auch gut so, denn das
Problematische macht es ja erst spannend.
Sind also die Wunder- und Heilungsgeschichten der Bibel
wörtliche Widergaben von Ereignissen oder frei erfundene Stories?
Der Zugriff auf die Wissenschaft scheint IM ERSTEN MOMENT
alle biblischen Berichte dem Reich der Märchen und Legenden zuzuweisen. Bei
GENAUEREM HINSEHEN tut sich überraschend aber eine DRITTE PERSPEKTIVE auf.
Es gibt z.B. Heilungsgeschichten, die DAMALS als Wunderheilungen verstanden wurden und die wir heute mit dem uns zur Verfügung stehendem Wissen aus Psychologie, Psychosomatik und Systemischen Theorien sehr wohl erklären können. Viele Geschichten von Krankenheilungen könnten sich also sowohl als wörtlich/faktisch "wahr" wie auch als wissenschaftlich haltbar herausstellen. Dabei wäre allerdings NICHTS ÜBERNATÜRLICHES geschehen. Übrigens berichten auch die Evangelium davon, dass Jesus manchmal NICHT HEILEN konnte. Ebenso, dass Jesus oft den Geheilten sagte: "Dein Glaube (=Vertrauen) hat dir geholfen".
Ein dritte Perspektive also versucht plausible Erklärungen für die biblischen Berichte zu finden. Manchmal gelingt das, manchmal auch nicht. Oder NOCH nicht. Oder aber die Geschichte wird tatsächlich als wissenschaftlich/faktisch unhaltbar ersichtlich (zum Beispiel die Geschichte vom Weinwunder, das bezeichnenderweise nur in einem der vier Evangelien, bei Johannes, erzählt wird).
Dann wird man historisch-kritisch entschlüsseln wollen, was der Autor mit einer solchen Erzählung bezweckte.
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