Donnerstag, 5. November 2015

Quantum Jesus – (Teil 2): Zwischen Märchen und göttlichem Eingriff





Bevor wir uns den quantenphysikalischen Phänomenen und ihren theologischen Implikationen  zuwenden, gehen wir einen Schritt zurück.

Wer heute die Bibel liest oder eine Predigt hört, kommt nicht umhin, sich zum Gehörten und/oder Gelesenen zu positionieren. Dies geschieht zwischen den zwei Extremen „Was in der Bibel steht, ist wahr und wörtlich zu verstehen“ und „Die Bibel ist ein Märchenbuch mit erfundenen Geschichten zwecks Machtausübung über die Gläubigen“.

Auf dieser Skala finden sich viele Zwischenstufen, Einstellungen wie

        -    die Bibel wurde den Autoren von Gott wörtlich eingegeben, deshalb ist sie irrtumslos
-       die Bibel wurde von Menschen geschrieben (daher enthält sie auch Fehler), welche ihre Erfahrungen mit Gott beschrieben (daher enthält sie auch Wahrheit)
-       die Bibel ist ein Gemisch aus Erfahrung und ihrer religiöse Interpretation, deshalb muss man sie in ihrer Entstehungszeit verstehen, um sie für heute zu interpretieren
-       die Bibel enthält zeitlose Wahrheiten, die in Symbolen ausgedrückt werden. Die Symbole wirken in der Tiefe der menschlichen Seele. Eine wörtliche Interpretation würde dem nicht gerecht.



Den unterschiedlichen Einstellungen zur Bibel entsprechen verschiedene theologische Lager oder Schulen.

Im FUNDAMENTALISMUS müsste man eigentlich alles wörtlich nehmen. Die Welt entsteht in 6 Tagen à 24 Std. zum Beispiel.  Doch sogar Fundamentalisten können unmöglich alles wörtlich nehmen.

Die EVANGELIKALE und die konservative Theologie kennt die Devise: „Gotteswort in Menschenwort“, d.h. sie macht INNERHALB der Bibel bereits eine Differenz aus zwischen Göttlichem und Menschlichem. Nicht alles ist wörtlich zu verstehen, und es ist die Aufgabe der Exegeten auszulegen, was jetzt wie gilt.

Die HISTORISCH-KRITISCHE Auslegungsmethode fragt nach der Entstehung der Texte. Nach den historischen Umständen, nach religionsgeschichtlichen Parallelen und kulturellen Bedingungen. Indem wir dies alles verstehen, verstehen wir besser, was der Text DAMALS sagen wollte. Der Transfer in die Gegenwart hingegen kann diese Methode nicht an sich leisten.

Das Problem bleibt also bestehen: wie kann ein Text von DAMALS auch HEUTE noch irgend etwas bedeuten oder bewirken?
Psychologische, existenzielle/existenzialistische Ausleger würden sagen: die Bilder, die verwendet werden (z.B. die Geschichten vom verlorenen Sohn, von der auferweckten Tochter etc.), sind so stark, dass sie auch heutige Menschen ansprechen.  Daher ist es UNERHEBLICH, ob diese Geschichten irgendwelchen Fakten entsprechen oder „erfunden“ sind. Selbst dann nämlich, wären sie nicht erfunden, sondern „gefunden“ im reichen Fundus unserer seelischen Kräfte, unseres kollektiven Unterbewusstseins.
Diese letzte Position (vertreten etwa durch Tillich, Bultmann, Drewermann) wird natürlich von Fundamentalisten heftig kritisiert. Aber ebenso können wissenschaftliche Skeptiker damit wohl wenig anfangen. Zumindest würden sie sagen: schön und gut, dann bestehen die Evangelien halt aus „frommen Lügen“, die gut gemeint sind. Letztlich aber bleiben sie erfunden Geschichten, die sich so nie zugetragen haben.



Wie immer wir uns also zur Bibel, zum Glauben etc. positionieren, es bleibt problematisch. Und das ist auch gut so, denn das Problematische macht es ja erst spannend.

Sind also die Wunder- und Heilungsgeschichten der Bibel wörtliche Widergaben von Ereignissen oder frei erfundene Stories?

Der Zugriff auf die Wissenschaft scheint IM ERSTEN MOMENT alle biblischen Berichte dem Reich der Märchen und Legenden zuzuweisen. Bei GENAUEREM HINSEHEN tut sich überraschend aber eine DRITTE PERSPEKTIVE auf.


Es gibt z.B. Heilungsgeschichten, die DAMALS als Wunderheilungen verstanden wurden und die wir heute mit dem uns zur Verfügung stehendem Wissen aus Psychologie, Psychosomatik und Systemischen Theorien sehr wohl erklären können. Viele Geschichten von Krankenheilungen könnten sich also sowohl als wörtlich/faktisch "wahr" wie auch als wissenschaftlich haltbar herausstellen. Dabei wäre allerdings NICHTS ÜBERNATÜRLICHES geschehen. Übrigens berichten auch die Evangelium davon, dass Jesus manchmal NICHT HEILEN konnte. Ebenso, dass Jesus oft den Geheilten sagte: "Dein Glaube (=Vertrauen) hat dir geholfen". 

Ein dritte Perspektive also versucht plausible Erklärungen für die biblischen Berichte zu finden. Manchmal gelingt das, manchmal auch nicht. Oder NOCH nicht. Oder aber die Geschichte wird tatsächlich als wissenschaftlich/faktisch unhaltbar ersichtlich (zum Beispiel die Geschichte vom Weinwunder, das bezeichnenderweise nur in einem der vier Evangelien, bei Johannes, erzählt wird). 
Dann wird man historisch-kritisch entschlüsseln wollen, was der Autor mit einer solchen Erzählung bezweckte.








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