Montag, 5. September 2016

Sternstunde Philosophie zur Burkadebatte: Die Hemmung der Philosophinnen

Ich mag die Sternstunde Philosophie sehr gut. Diese eine Sendung (hier nachzuschauen) zum Thema Burka aber ist ein Lehrstück in Sachen Hemmung und Selbsttabuisierung. Reinhard Merkel ist Rechtsphilosoph, Christine Abbt ist Philosophin. Bleisch ist Moderatorin und ebenfalls Philosophin.



Wenn Philosphen philosophieren, kommen sie vom Hunderste ins Tausendste, das gehört zum Jobprofil.
Was erstaunt, ist, dass es 33 Minuten braucht, bis man auf das Thema zu sprechen kommt, das für alle offensichtlich ist und uns unter den Nägeln brennt: der radikal-fundamentalistische Islam.
Vorher wird über Kleiderordnungen allgemein gesprochen, über unterschiedliche kulturelle Prägungen, die Rolle der Frau und die Integration von Zugezogenen.
Man kann sich als Zuschauer des Eindrucks nicht erwehren, dass Moderatorin Bleisch den problematischen Punkt möglichst zu umschiffen versucht. Als nach 33 Minuten endlich das Wort "Fundamentalismus" fällt und Herr Merkel das Beispiel seines jüdischen Bekannten anführt, welcher sich aus Angst vor muslimischen Jugendlichen nicht mehr mit Kippa auf die Strasse traut, schwenkt Bleisch auf ein Buch des Ehepaars Münkler, das dafür plädiert, das Ganze aus sozialpolitischer Perspektive anzugehen.
Es ist nicht das letzte Mal, das Bleisch hektisch interveniert, wenn Merkel auf die Religion als Ferment des Radikalismus zu sprechen kommen will.

So differenziert die Philosophinnen über Kleidercodes, westliche Werte und kulturelle Spannungen debattieren können, so ratlos wirken sie beim Hauptproblem, dass nämlich eine konservative, ja radikale Reislamisierung unter Muslimen -und hier besonders unter Jugendlichen- zu beobachten ist.

Der expandierende Salafismus, die saudische Ideologie, die problematischen Geldflüsse aus der arabischen Welt, die Moscheen und Vereine (der Sorte IZRS) finanzieren, all das wird NICHT THEMATISIERT.
Nur sehr vorsichtig argumentiert Abbt, sie wolle ja auch nicht, dass ihre weiblichen Verwandten eines Tages mit Niqab herum laufen müssen. Doch alle drei, die Moderatorin und die Gäste sind sich einig, dass ein Burkaverbot falsch wäre.
Woher rührt dieser Eiertanz, der an Selbsttabuisierung grenzt?
Von der Angst, rechten Kreisen in die Hände zu spielen? Von der Angst, sich den Vorwurf der Islamophobie oder des Rassismus einzuhandeln? Sind die Philosophinnen zumal, durch den z.T. heftigen Diskurs über Frauenrechte, irgendwie gehemmt? Sie wirken so.

Religionskritik war immer eine Domäne der Philosophen (Feuerbach, Marx, Nietzsche und viele mehr). Gilt das für den Islam nicht?







Hier eine kurze Zusammenfassung der Sendung:

Was wird besprochen? Es geht um das Recht, sich der Kommunikation zu verweigern. Es wird besprochen, dass nur eine verschwindende Minderheit Burka trägt. Die Frage, ob eine Burka frauenverachtend sei, beantwortet die Philosophin mit "ist problematisch" und weist auf andere Arten von Verhüllung hin zum Beispiel beim Karneval. Immerhin nimmt sie den Begriff "Entindividualisierung" in den Mund, trotzdem ist sie gegen ein Verbot der Burka, wennschon, solle man von "Verhüllungsverbot" reden und ihn ausdehnen.

Reinhard Merkel meint zwar schon, die Burka sei patriarchal-religiöser männlicher Dominanz geschuldet; sie zu verbieten aber wäre "paternalistisch". Das Gespräch geht dann Richtung "was ist mit dem westlichen Frauenbild"? Und darf man aus der Burka eine Kulturdebatte machen? Geht, so Moderatorin Bleisch, das Ganze dann nicht Richtung Kulturalismus, der Rassismus unsererseits sei?

Es dauert eine halbe Stunde (!) bis das Wort "Fundamentalismus" fällt. Die Herren und Damen Philosph_Innen reden also 30 Minuten um den Brei herum, bis einer endlich auf den Punkt kommt. Merkels Satz "Wir haben Indizien für einen weit höheren Fundamentalismus..." wird von der Moderatorin sofort unterbrochen mit dem Hinweis auf Münklers These, es gehe in Wahrheit um sozialpolitische Spannungen. Die hätten nichts mit einer fremden Kultur zu tun, sondern mit der Möglichkeit bzw. Schwierigkeit, an der hiesigen Kultur partizipieren zu können.

Wieder versucht Merkel die kulturell bedingten Spannungen aufzuzeigen, diesmal an einem Beispiel: Ein Bekannter von ihm ist Jude getraut sich in Berlin nicht mehr mit der Kippa herum zu laufen, weil ihm muslimische Jugendliche vor die Füsse spucken. Bleisch fragt nach, ob man aus solchen winzigen Beispielen wirklich eine grosse Burkadebatte lostreten muss.


Merkel belegt mit Umfragewerten den latenten oder offenen Antisemitismus vor allem jugendlicher Muslime. Bleisch wiederum drängt auf Integration, das Ganze habe nicht mit Kultur und Zuwanderung zu tun. Ein Burkaverbot treibe ein Keil zwischen den Gemeinschaften.

Merkel weist zu Recht darauf hin, dass Fundamentalisten per se nicht dialogfähig, bzw. integrierbar sind. Er widerspricht Münkler: das Hauptproblem IST die Religion. Und es seien die islamischen Gemeinschaften gefordert, ihre Jugendlichen so zu erziehen, dass sie Muslime UND loyale Staatsbürger werden und der Radikalisierung widerstehen. Natürlich muss Bleisch nachfragen, mit welchem Recht wir meinen, unsere Kultur  verteidigen  zu müssen. Alle drei sind schliesslich gegen ein Burkaverbot.

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B. Amatruda