Solidaritätskundgebungen werden immer rarer.
Ein Gastbeitrag von Håkon Krähenbühl
Jahrelang gab ich mit meiner Band Wohltätigkeitskonzerte. Man verdient nichts dabei. Aber fühlt sich so gut, so... solidarisch. Und man
gewinnt Hunderte neuer Zuschauer. Dankbare Zuschauer, denn sie schätzen nicht nur die Musik,
sondern auch den guten Zweck. „GGG“ nennen wir das: Gutes-Gewissen-Groove. Unser Bassist kam beim weiblichen Publikum - er nennt sie Ökogroupies - ganz speziell gut an. Wenn Sie wissen, was ich meine.
Zwischen 1999 und 2006 spielten wir u.a. an Anlässen wie
Rock gegen Hass in Jestetten 1999
Jazz against Racism 2006
Solidarité pour les Sans-Papiers, Genf
Dein Los - Obdachlos (Grosse Brücke Bern)
Concert for Ökobauern - Teppichzentrum Sihltal
Musik gegen Arbeitslosigkeit - von arbeitslosen Musikern (Schaffhausen 98)
Increase Genderstudies
- Universität Kabul 2005
„No needles – no Problems“ Open-Air Platzspitz 2002
Aus dieser Zeit könnte ich viele Anekdoten erzählen, klar.
Zum Beispiel als unser Bassist nach dem Konzert zugunsten des Methadonprogramms einem Süchtigen 20g Haschisch verkaufte.
Oder als sich herausstellte, dass es sich bei den Obdachlosen
und den Sans-Papiers um die selben Personen handelte. Am Konzert für die
Obdachlosen erschienen übrigens keine Obdachlosen, was die Organisatoren so
erklärten, dass diese lieber „zuhause“ bleiben würden.
Ich könnte viel erzählen: vom Interview, das ein Randständiger
auf Tele Bern gab, wo er sagte: „Ich habe es so satt, ständig von eingebildeten
Musikern als Minderheit funktionalisiert zu werden, an der sie ihr Ego
narzisstisch aufblähen können!!“
Oder als beim „Rock gegen Hass“-Festival sich zwei verfeindete
Bands in der Garderobe prügelten. Oder vom „Niemand ist illegal“-Konzert in
Wetzikon, welches die Polizei abbrach, weil das Konzert illegal war. Und noch heute lachen wir über unseren Bassisten (immer er!), der die ganze Kollekte für die Bergbauern (Fr. 27.50) an der Bar wieder ausgab.
Seit neun Jahren
spielen wir keine Wohltätigkeitsgigs mehr. Niemand organisert nämlich welche.
Das hat damit zu tun, dass es in der Schweiz immer mehr Minderheiten gibt, die
jeweils immer weniger Leute umfassen. Auf Anfrage meinte ein auf Wohltätigkeit
spezialisierter Konzertveranstalter, er würde nur Charity-Konzerte für
Minderheiten auf die Beine stellen, die mehr als 50 Angehörige haben. In der
Schweiz lohne sich das nicht.
Immer kleinere Minderheiten (hier die Minderheit der Kinder ohne iPhone) |
Wir haben schon versucht, auf deutschen Festivals
aufzutreten. Doch bei „ Setze ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit“ blitzten wir
als Schweizer ab. „Tut in eurem eigenen Land etwas dagegen!“, hiess es. Wir wollen nun etwas zugunsten der
Flüchtlinge in der Schweiz tun und haben den oben erwähnten Konzertveranstalter
nochmals kontaktiert. Es seien zur Zeit noch zu wenige Flüchtlinge hier,
meinte er, aber für 2016 sehe es eventuell besser aus.
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