Freitag, 15. Februar 2013

Der Weg, die Klarheit und das Label








Samuel Jakob regt in der Reformierten Presse theologische Stellungnahmen der Kirchenleitung (in Zusammenarbeit mit den theologischen Fakultäten) an.

Er fragt sich, warum etwa die Reformierten zur Satisfaktionslehre der Evangelischen Allianz SEA schweigen. 
Nun, das scheint mir auf der Hand zu liegen:
Weil die Landeskirche es sich nicht mit den Evangelikalen verscherzen will. Nichts fürchtet man so sehr, wie Kirchenaustritte. Daher gilt die Devise suum cuique; jedem das Seine. Wenn in der Stadt  schamanische Rituale abgehalten werden können, dann sollen die auf dem Land kaschierte Wiedertaufen durchführen dürfen. Und wenn die eine Gemeinde die pfingstlerische Theologie des Alphalivekurses importieren darf, darf die andere Tiere segnen und politischen Aktivisten Asyl gewähren. Die Verantwortung liegt ja bei der einzelnen Gemeinde, und die Kirchenleitung ist fein raus. Ein Profil, eine Positionierung, ein einheitliches Image, eine Marke, ein Label ist allerdings das letzte, was dabei heraus kommt.

Die von Jakob diagnostizierte inhaltlich Krise der Kirchen  hat auch strukturelle Ursachen. Natürlich, im Pfarramt bleibt vor lauter Administrationsarbeit kaum noch Zeit für theologische Debatten. Vor allem aber: Solange die Finanzen den courant normal erlauben, besteht keine Notwendigkeit, sich mit inhaltlichen Fragen auseinander zu setzen. Jedes Pfarramt kann seinem Alltagsgeschäft nachgehen, und zu tun gibt es ja mehr als genug. 
Vielleicht wird die Finanznot es notwendig machen, sich klarer zu positionieren. 
In Basel-Stadt wurde aus diesem Grund das Territorialprinzip aufgegeben und die Bildung von theologisch ausdifferenzierten (Gesinnungs-)Gemeinden gefördert.

In den USA laufen solche Profilierungsprozesse seit längerem. So haben sich liberal-soziale Kirchen eine 8-Punkte-Charta gegeben unter dem Label "Progressive Christianity". Sie bekennen sich zum Inklusivismus als Antwort auf exklusivistische konservative  und evangelikale Gemeinden.

Unter dem Dach der Landeskirche soll hierzulande alles Platz haben. Das ist ein Entscheid, den man gutheissen kann. In der Praxis bestehen zwar immer schon gemeindetypische oder je nach Pfarrperson divergierende theologische Schwerpunkte (siehe oben). Nur transparent ist das für den Kirchenfernen nicht. 
Wieso aber kann ich als Gläubiger, ja als "Kunde" diese Position nicht an einem Label erkennen? 

Die Angst vor dem Label erfasst ja bereits manche Pfarrperson. Ich habe schon mit evangelikalen Pfarrern gesprochen, die das Wort "evangelikal" zornig von sich wiesen. Und mit liberalen, die sich nicht als "liberal" schubladisieren lassen wollten. Der beste war ein Kollege, der seiner Spiritualität -weil wortlos- partout keine Bezeichnung angedeihen lassen wollte. Mehr als "etwas mit Kerzen" war ihm nicht zu entlocken.

Wenn also schon die Theologen Mühe haben, Farbe zu bekennen (warum bloss?), wie können wir erwarten, dass jemals ein "gemeinsames" Bekenntnis zustande kommt?
Bekennen heisst immer auch, sich abgrenzen. Dabei geht es nicht darum, das eine gegen das andere auszuspielen. Sondern um Profilbildung und Transparenz. Ich bin erzliberal und habe gute Freunde in der FEG. Zum Predigen laden sie mich natürlich nicht ein, aber Freunde bleiben wir trotzdem; und just, dass wir Gemeinsamkeiten und Unterschiede benennen, ja sogar augenzwinkernd "labeln" können, macht das Ganze verständlicher. 

Samuel Jakobs Vorschläge regen Debatten an und sind höchst bedenkenswert. Mit der theologischen Klärung beginnt jeder am besten bei sich selbst.
Auf dem Weg sind wir alle. Hoffentlich mit Klarheit. Und warum nicht: mit Label.

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Bruno Amatruda ist Religionslehrer an einer Zürcher Kantonsschule



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